Samstag 07. Sept. 2019, ca. 11 km
Nun folgt der Weg, den einige meinen, mit dem Tram fahren zu müssen, da er langweilig sei. Nach meiner Meinung gehört gerade auch ein solches Stück Weg zu einer Pilgerreise. Das Wegstück erweist sich alles andere als langweilig.
Der Weg geht vorerst der Strasse entlang. Dann führt er in einen grossen Freizeitpark. Darin liegt der Badesee Lac du Crès. Einige sind am Schwimmen oder liegen am Strand. Eine schöne Idylle.
Die nächste Überraschung bietet das Dor Castelnau-le-Lez. Es ist viel Marktbetrieb. Das Dorf scheint sehr lebendig zu sein. Erstmals sind auf dem Pflaster eingelassen bronzene Jakobsmuscheln, die den Weg weisen.
Beim Weitergehen durch verschiedene Quartiere fällt als erstes der Friedhof St. Lazare auf. Lazarus verweist auf den Mann, den Jesus von den Toten erweckt hat. Bei einer Bäckerei legen ich den Mittagshalt ein. Es gibt ein Stück Pizza. Nach einer Weile setzt sich eine junge Frau humpelnd an einen Tisch nebenan. Wir kommen irgendwann ins Gespräch, als sie weiter gehen möchte. Dann setzt sie sich an meinen Tisch und wir reden über dies und das. Sie ist Chemiestudentin in Montpellier und möchte später an einem Umweltamt arbeiten. Wir verabschieden uns und ich gehe weiter Richtung Stadtmitte. Ein Park mit Namen Edith Piaf lässt mich kurz innehalten.
In der Stadt führt der Weg ziemlich direkt zur Kathedrale St.Pierre. Sie ist mächtig. Weiter geht es in die Stadtmitte. Eine schmale Gasse ist abgesperrt durch Gitter. Ich werde gebeten, durch einen Coiffeur-Salon hindurch auf die Hauptgasse zu gehen. Hier soll der Demozug der Gilets Jaunes vorbei kommen. Deshalb die Absperrung. Viele Polizisten stehen bereit. ich sprechen einen davon an. Er äussert die Hoffnung, dass diese Demos bald einmal aufhören. Es ermüde langsam aber sicher. Heute findet die nationale Versammlung der Gilets jaunes in Montpellier statt.
Später komme ich in Kontakt mit Demonstrierenden. Sie laufen etwas chaotisch hin und her. Sie sind ausgerüstet mit Gasmasken und zum Teil mit Helmen. Ihre Kleidung meist schwarz erzeugt einen nicht gerade friedlichen Eindruck. Dass dies stimmt, zeigt eine Versammlung auf dem grossen Platz der Comédie. Ich sehe, wie randaliert wird. Die Polizei schreitet in einer Formation Richtung Platz. Dort macht sich Nervosität bemerkbar. Flaschen kommen zu fliegen. ich bin hinter der Polizeilinie. Eine Frauen schreien hysterisch, sie sollen gefälligst das Volk schützen. Aber welches Volk den?? – Nicht mehr lange geht es, bis Tränengas geschossen wird und die Meute von schwarzverkleideten Leuten sich auflöst. Später werde ich bemerken, dass viele Scheiben zu Bruch gegangen sind. Tramhaltestellen, Schaufenster von Banken, Versicherungen und anderen Geschäften. Was diese Gewalt bringen soll?
Ich suche die Herberge St.Roc auf, die ab 16:30 Uhr öffnet. Bereits ist hier der japanische Pilger Mako. Er dürfe wegen gesundheitlicher Probleme 2 Nächte bleiben. Die Hospitalera Marie-France l’Espanol plaudert munter drauf los. Es kommen keine weiteren Pilger mehr, sodass ich alleine ein Zimmer benutzen kann.
Später nehme ich das Nachtessen im benachbarten Restaurant Rosmarie ein. Es ist viel los in der Stadt des heiligen Rochus. Rochus stammt von hier. Er verteilte als 17-jähriger seinen Reichtum und pilgerte nach Rom. Dort kam er in Kontakt mit Pestkranken. Er begann, diese zu pflegen und wurde selbst krank. Er zog sich als Eremit in einen Wald zurück. Dort versorgte ihn ein Hündchen mit Brot. Eindrücklich ist die Sterbeszene in der Kirche St.Roc dargestellt. Das Hündchen weicht nicht vom Sterbebett. Biographie